Über eine E-Mail aus Paris
Hinter dem Begriff E-Mail-Marketing steckt im Prinzip nichts anderes als der gute alte Brief. Der eine schreibt dem anderen. Eigentlich ganz simpel. Aber alles andere als einfach. Welche Fehler man dabei machen kann, wurde mir letzte Woche bewusst. Im Postfach meines Reiseblogs WowPlaces.de landete eine E-Mail, die begann mit “Liebe(r) Philipp”.
Eine personalisierte Ansprache ist wunderbar. Schließlich gibt es nichts Schöneres als den eigenen Namen. Und in der Bloggerszene ist es durchaus üblich, sich mit dem Vornamen anzusprechen. Dumm nur, wenn man dem Empfänger durch ein unentschlossenes “Liebe(r)” deutlich macht, dass es sich in Wirklichkeit wohl kaum um ein individuelles Anschreiben handeln kann. Ein “Hallo Philipp” wäre da die wesentlich elegantere Lösung gewesen.
Ein Marktführer will expandieren
Die E-Mail kam von der Marketingleiterin eines Start-Ups, das 4,5 Millionen Ferienwohnungen auf einer Online-Plattform versammelt hat und damit laut eigenen Angaben bereits Marktführer in Frankreich ist.
“Unser Ziel ist nun auch, unsere Präsenz auf dem deutschen Markt zu steigern und so eine höhere Reichweite unseres Portals zu verwirklichen”, schrieb mir die Dame. Es würde sie “sehr freuen, wenn wir mit Ihnen ein kleines Interview machen könnten in dem wir Sie fragen, was Sie tun, welche Themen Sie am meisten interessieren, wie der Blog geboren wurde… und im Anschluss publizieren wir es bei uns auf Facebook und bei uns im Blog”.
Perfekter Content-Lieferant: das Interview
Mit anderen Worten: Das Unternehmen braucht deutsche Inhalte (Neudeutsch: “Content”), um damit ihren Blog und die sozialen Kanäle zu füttern. So steigt der Traffic von deutschen Nutzern (Google sei Dank) und das Portal kann mehr Ferienwohnungen vermitteln. Interviews zu führen ist eine schlaue Möglichkeit, schnell auf interessante Inhalte zu kommen. Ich habe nichts gegen Interviews. Im Gegenteil: Ich plaudere gerne über meinen Blog. Schließlich ist das für mich eine Möglichkeit, den Blog noch bekannter zu machen. Eine Win-Win-Situation sozusagen. Was ich leider weniger gut fand, war diese Textpassage:
“Wir befinden uns am Anfang und freuen uns über jede Hilfe und jede gute Tat :)”.
Wie bitte? Hatte ich mich verlesen? Hatte mir da in Wirklichkeit eine gemeinnützige Organisation geschrieben? Eine Hilfsorganisation, die Hungernden in der Dritten Welt hilft? Nein, hier schrieb mir ein französisches Start-Up, das auf Gewinnmaximierung aus ist und nur einem helfen möchte: sich selbst. Eine Hilfsorganisation kann gern nach guten Taten fragen, aber doch bitte kein Wirtschaftsunternehmen! Und ein Marktführer schon gar nicht.
Damit war die Sache für mich erledigt und ich habe abgesagt. Das Beispiel zeigt, dass man bei Werbemailings vor allem eines braucht: Die Fähigkeit, das Anschreiben mit den Augen des Empfängers zu sehen. Wer dieses Einfühlungsvermögen nicht besitzt, tritt schnell mal ins Fettnäpfchen. Einen positiven Effekt hatte das Ganze aber doch: Die E-Mail hat mir zu einem neuen Blogpost verholfen. Merci.