Storytelling Aufbau. Aquarell: Junges Paar in der Achterbahn – Sinnbild für einen fesselnden Storytelling-Aufbau.

Storytelling Aufbau: Welche Struktur haben Geschichten?

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Der Storytelling Aufbau gibt einer Geschichte Halt und Richtung: Er führt vom Set-up über Auslöser und Konflikt zum Höhepunkt und löst am Ende die Spannung auf. Oft gleicht das einer Achterbahnfahrt. In diesem Artikel zeige ich Ihnen die wichtigsten Modelle, nach denen Geschichten strukturiert werden. Von Aristoteles’ Dreiteilung über Gustav Freytags Dramaturgie bis zur Heldenreise.

Inhalt des Artikels:

Geschichten sind so alt wie die Menschheit. Ihre Grundstruktur hat bereits Aristoteles formuliert. Jede Geschichte hat einen Anfang, einen Mittelteil und einen Schluss. Daraus wurde das Erfolgsrezept von Geschichten abgeleitet: Überlegen Sie sich einen spannenden Anfang, ein spannendes Ende und gestalten Sie den Mittelteil als Brücke zwischen den beiden Teilen.

Storytelling Aufbau Aristoteles
Storytelling Aufbau nach Aristoteles: der Dreiklang aus Anfang, Mittelteil und Ende.

Dass die Sache aber nicht ganz so einfach ist, zeigt die Übersicht von Gustav Freytag von 1863. Laut Freytag beginnt eine gute Geschichte zunächst mit einer Einleitung. Hier wird dargestellt, wie die Grundsituation ist. Wo sind wir? Also in welchem Land und in welcher Umgebung? In einer deutschen Stadt? Oder in einem mexikanischen Dorf? Zu welcher Zeit spielt die Geschichte? Geht es um eine Story aus dem Mittelalter? Oder befinden wir uns in der Gegenwart? In welchen Lebensumständen befindet sich der Held? Wie sieht sein Alltag aus? In welchen Verhältnissen lebt er, wie ist sein Charakter? Wie sind seine Beziehungen mit anderen Menschen?

Storytelling Aufbau Gustav Freytag
Storytelling Aufbau Gustav Freytag

Damit die Geschichte in Gang kommt, braucht sie einen Auslöser. Eines Tages muss etwas passieren, das den Helden aus seinem Alltag herausreißt. Ein Konflikt muss anstehen. Eine Herausforderung muss her. Ein Königreich muss gerettet, ein Drache besiegt, ein Herz erobert oder eine Bank ausgeraubt werden.

Das Drama nimmt seinen Lauf. Der Held muss Hindernisse überwinden. Dadurch entsteht Spannung und Dramatik. Die Handlung erreicht ihren Höhepunkt und das Publikum atmet auf, als der Held seine Herausforderung meistert.

Nun kommt es zu einer abfallenden Handlung. Die Luft ist raus, das Publikum möchte belohnt werden und in Dopamin baden, das nun im Körper ausgeschüttet wird.

Der letzte Teil der Geschichte dient der Entspannung. Der Held hat sein Ziel erreicht und das Publikum genießt mit ihm den Erfolg. Das Königreich ist gerettet, die Bürger jubeln dem Helden zu. Oder: Der Drache ist erschlagen, die Bürger feiern den Helden. Oder: Das Herz ist erobert und der Held erlebt eine schöne Zeit zu zweit. Kurzum: Alles ist super, die Welt ist wieder in Ordnung.

Im folgenden Chart, das heute viel Beachtung findet, kommen weitere Elemente hinzu. Da ist zum einen die Weigerung des Helden, dem Ruf des Abenteuers zu folgen.

Ein durchschnittlich erscheinender Junge erfährt zum Beispiel, dass er dazu auserwählt ist, ein Königreich zu retten. Was? Ich? Nie im Leben, denkt sich der Held, ich bin doch nur ein ganz normaler Junge. Er lehnt es schlichtweg ab, sich auf die Geschichte einzulassen. Es bedarf oft eines Mentors, damit sich der Held umentscheidet und sich doch noch ins Abenteuer stürzt.

Interessant an diesem Chart ist die Unterteilung in neue und gewohnte Welt. Viele Geschichten arbeiten mit dem Muster, zunächst den gewöhnlichen Alltag darzustellen, den der Held verlässt, um in einer anderen Welt sein Abenteuer zu erleben. Am Ende meistert er seine Herausforderung und kehrt in seine gewohnte Welt zurück.

Storytelling Aufbau Welt
Storytelling Aufbau: Die Heldenreise beginnt in der gewohnten Welt, führt in eine neue Umgebung und endet mit der Rückkehr in die gewohnte Umgebung.

Sehen Sie sich den folgenden Werbespot an. Er stammt von IKEA Spanien. Ich denke, an diesem Beispiel kann man sehen, dass der Held seine gewohnte Welt verlässt und zu einem Abenteuer aufbricht, das ihn verändert. Er gewinnt eine neue Erkenntnis und bringt sie mit in seine gewohnte Welt. Hier soll sie auch andere inspirieren und positiv verändern.

Beispiel IKEA
Storytelling Aufbau: Die Geschichte des IKEA Films folgt der Struktur der Heldenreise.

Die Grundherausforderung, mit der sich ein Held beschäftigt, muss dramatisch, bedeutsam und spannend sein. Wenn es nur um die Frage geht, ob es dem Helden gelingen wird, eine Dose Ravioli im Supermarkt einzukaufen, dann wird diese Geschichte wohl kaum ein großes Publikum finden. Diese Erzählung ist schlichtweg nicht interessant.

Wenn uns aber die Geschichte einer sympathischen jungen Frau erzählt wird, die auf der Suche nach der großen Liebe allerlei Abenteuer bestehen muss, dann hat das einen deutlich größeren Reiz. Es ist offen, ob und wie es ihr gelingen wird, Mr. Right zu finden und sein Herz zu erobern. Die Grundfrage ist durchaus spannend.

Die Aufgabe des Geschichten-Schreibers ist es, das Publikum möglichst lange zappeln zu lassen. Die Zuschauer müssen so lange wie möglich im Unklaren bleiben, wie es nur irgendwie möglich ist. Das erhöht die Spannung und die Gier auf das Dopamin.

Erst am Ende wird die Anspannung durch Entspannung abgelöst und es kommt zum Happy End. Alle Verwirrungen werden aufgelöst, alles Leiden hat ein Ende. Das Publikum ist glücklich. Bei der Entwicklung einer Geschichte kommt es also darauf an, die Spannung immer weiter zu steigern und mit einem großen Finale schließlich am Ende aufzulösen.

Heutzutage kennt das Publikum bereits unzählige Geschichten. Da ist es insbesondere erfreut, wenn die Geschichte auch überraschende Wendungen hat, die man so nicht ahnen konnte. Nichts ist enttäuschender als ein Krimi, bei dem man schon am Anfang ahnt, wie er ausgehen wird.

Geschichten haben es heute nicht leicht sich durchzusetzen, denn es gibt ein äußerst großes Angebot. Auf YouTube etwa sind unzählige Storys nur einen Klick entfernt. Disney+, Amazon Prime, Sky und das gute alte Fernsehen bieten Geschichten ohne Ende, ebenso wie Ausleihbibliotheken für E-Books und Hörbücher. Das hat auch Folgen für die Struktur von Geschichten.

Geschichten, die sich zum Beispiel in den Sozialen Medien durchsetzen müssen, folgen daher oft einem Verlauf, der an eine Achterbahn erinnert. Sie beginnen nicht ruhig, um zunächst zu erzählen, in welcher Situation und in welchem Alltag sich der Held befindet. Nein, ganz im Gegenteil. Diese Geschichten geben von der ersten Sekunde an Vollgas. Action, Adrenalin pur. Es geht sofort los.

Aquarell, Frontansicht: Junges Paar in einer wilden Achterbahnfahrt – Symbol für eine spannende Geschichte.
Im digitalen Zeitalter muss die Storytelling Struktur oft einer wilden Achterbahn gleichen, etwa auf Social Media.

Zum Beispiel mit einer halsbrecherischen Verfolgungsjagd. Oder mit einem heftigen Ehestreit, bei dem die Fetzen fliegen. Oder mit einer wilden Schlägerei. Hauptsache, es ist nicht langweilig.

Gerne werden Fragen aufgeworfen, damit der Zuschauer neugierig wird und dran bleibt. Was soll das denn? Was passiert hier? Der Zuschauer wird ins kalte Wasser geworfen, befindet sich sofort mitten in einer actionreichen Story und fragt sich nun (hoffentlich), was das Ganze zu bedeuten hat.

Das Chart unten zeigt einen solchen Achterbahn-Verlauf. Die Geschichte folgt im Prinzip der Sichtweise von Aristoteles, wonach es einen Anfang, einen Mittelteil und einen Schluss gibt. Aber: Mit „Hooks“ soll das Publikum immer wieder aufs Neue gepackt und fasziniert werden. Es gilt, das Publikum bis zum Schluss am Haken zu behalten.

Die Überlegung dahinter: Wenn sich der Zuschauer auch nur kurz langweilt, klickt er weg. Angebote hat er schließlich mehr als genug.

Storytelling Struktur Social Media
Die Storytelling Struktur auf YouTube erinnert an eine wilde Achterbahnfahrt. Hier darf alles passieren – nur nichts Langweiliges.

Diese YouTube-Herangehensweise mit der Achterbahnfahrt der Gefühle und den ständigen Hooks holt vor allem jüngere Generationen ab. Auch Netflix arbeitet häufig auf diese Weise.

Ebenfalls interessant: Auch das menschliche Leben ist häufig so. Jeder Mensch ist die Hauptperson in seiner bzw. ihrer eigenen Geschichte. Das Leben besteht häufig aus Ups und Downs und entspricht auf diese Weise dem YouTube-Format.

Spannend ist in diesem Zusammenhang, wie Menschen ihre Geschichte sehen, wenn sie ganz am Ende ihrer Reise angelangt sind. Im Buch „Hätte ich doch…“ von Doris Tropper erfährt der Leser, was den Menschen am Ende wirklich wichtig ist und wie sie ihre eigene Geschichte beurteilen. Sehr lesenswert – auch im Hinblick darauf, selbst für seine eigene Geschichte ein besseres Bewusstsein entwickeln zu können.

Große Sprachverwirrung? Kein Wunder! Aber keine Sorge, was es mit diesen Begriffen auf sich hat, ist schnell erklärt. Traditionelles Storytelling ist einfach eine Erzählung. Zum Beispiel in Form eines Romans.

Beim crossmedialen Storytelling wird die Geschichte in unterschiedlichen Formaten erzählt. Als Buch, als Film, als Computerspiel, als Hörspiel, als Kinofilm. Die Geschichte ist gleich, aber die Darstellungsform ist verschieden. Ein Beispiel ist etwa Herr der Ringe oder Game of Thrones.

Aquarell im Querformat: Storytelling Aufbau als crossmediales Konzept – gleiche Geschichte über Buch, Film, Computerspiel, Hörspiel und Kino.
Beim crossmedialen Storytelling wird die gleiche Geschichte in verschiedenen Medien erzählt. Es gibt die Story als Buch, als Film, als Hörspiel und als Computerspiel.


Beim transmedialen Storytelling gibt es ein Geschichten-Universum mit einer bestimmten Grundidee. Star Wars etwa ist ein gutes Beispiel dafür. Im Star Wars Universum gibt es inzwischen die unterschiedlichsten Geschichten, erzählt aus den unterschiedlichsten Perspektiven und in den verschiedensten Formaten. Interessant daran ist, wie unendlich groß die erzählerischen Möglichkeiten sind, die sich so ergeben. Ist zum Beispiel eine Geschichte zu Ende erzählt, kann man 1.000 Jahre vorspringen und die Vorgeschichte erzählen.

Das dynamische Storytelling geht noch einen Schritt weiter: Jeder kann die Geschichte weiterentwickeln. Auch Fans. So gibt es zum Beispiel im Star Wars Universum längst Geschichten, die nicht aus den offiziellen Produktionshäusern stammen, sondern von Star Wars-Fans.

Philipp Barth, freier Texter aus Berlin (Porträt)
Philipp Barth, freier Texter in Berlin