Was macht einen großartigen Markenclaim aus? Und wie entwickelt man ihn? In diesem Artikel sehen wir uns das mal ganz genau an.
Es gibt viele Marken, die professionel geführt werden und entsprechend Erfolg haben. Aber: Es gibt heute leider auch große Marken, die mit ihrer Kommunikation nicht mehr überzeugen. Das ist bedauerlich und zeigt sich leider auch am Geschäftserfolg. Woran liegt’s?
Ich glaube, ein Faktor besteht darin, dass die Verantwortlichen sich vor lauter Daten, KI, Plattformen und Möglichkeiten verzetteln. Sie versuchen, alle Details auf dem Monitor zu haben, übersehen dabei aber, dass die Basics aus den Gleichgewicht geraten sind und deshalb das Gesamtbild nicht mehr stimmt.
Markenkommunikation ist kein Hexenwerk, sondern folgt einer klaren, nachvollziehbaren Logik. Am Anfang steht die Marktanalyse und die zentrale Frage, die der Dreh- und Angelpunkt von allem sein sollte: Wer ist der Verbraucher und was will er?
Fast ebenso wichtig sind Fragen wie: Wer ist der Wettbewerb und wie lautet sein großes Versprechen? Welches Problem löst unser Produkt? Und: Worin sind wir besser als der Wettbewerb?
Es gilt auf Basis der Analyse die passende Lücke im Markt zu finden. Nur ein Produkt, das sauber positioniert ist und sich vom Einheitsbrei abhebt und differenziert, kann auch wirtschaftlich erfolgreich sein.
Moment mal, sollte das nicht ein Artikel über den Markenclaim sein? Was haben denn Analyse und Positionierung mit einem Claim zu tun? Kurz gesagt: alles. Der Markenclaim ist die verdichtete Positionierung. Er bringt kurz und knackig auf den Punkt, wofür die Marke steht.
Der Begriff Claim ist in diesem Zusammenhang übrigens kein Zufall. Er stand in den USA für das Gebiet, das ein Goldschürfer für sich beansprucht. In der Markenkommunikation ist das sehr ähnlich. Hier soll der Claim einen Bereich abdecken, den die Marke für sich reklamiert. Bei Volvo ist das Sicherheit, bei BMW Fahrfreude, bei Volkswagen – ähm… tja… bei Volkswagen… nun, das ist mir leider aktuell auch nicht so ganz klar. Kein Wunder, dass die Marke Probleme hat, wenn nicht mal ein Werbetexter weiß, wofür die Marke heute stehen soll. Kleiner Tipp an die Entscheider: Besinnt Euch doch mal auf Euren Namen. Volkswagen – der Wagen fürs Volk. Das Auto für die breite Masse. Das wär’s eigentlich. Aber: Wo ist denn das Elektroauto für die breite Masse? Volkswagen hat es nicht. Das macht schmerzhaft klar, dass VW in manchen Bereichen das aus den Augen verloren hat, was es groß gemacht hat. Das Versprechen erschwingliche Autos von guter Qualität für die breite Bevölkerung zu liefern, insbesondere für Familien.
Heutzutage wird viel kommuniziert – aber wenig positioniert. Das ist tragisch und gefährdet alles, was über viele Jahre mühsam aufgebaut worden ist.
Ist die Positionierung gefunden, gilt es, sie in einen Claim zu gießen. Das ist dann keine inhaltliche Aufgabe mehr, sondern eine Frage der Verpackung. Der Spezialist dafür ist der Werbetexter. Er weiß, was einen starken Markenclaim ausmacht.

Anforderungen an einen gelungenen Markenclaim
Exakt
Der Claim muss präzise das Versprechen vermitteln, das die Marke dem Konsumenten gibt – und damit gleichzeitig die Positionierung abbilden. Das Versprechen kann auch eine Haltung oder eine Philosophie sein.
Hinweis: Wenn etwa der Claim für einen Urlaubsanbieter “Spaß” ausdrücken soll, muss man das Wort “Spaß” nicht unbedingt in den Claim hineinschreiben. Der Claim kann auch durch seine Formulierung Spaß beim Leser auslösen.
Knapp
Der Claim muss schnell auf den Punkt bringen, wofür die Marke steht. Der Spruch sollte so lang wie nötig, aber so kurz wie möglich sein.
“Wohnst du noch oder lebst du schon?” von Ikea bzw. der Agentur weigertpirouzwolf gehört nicht zu den kürzesten Claims, aber zu den guten.
Klar, leicht verständlich
“Come in and find out” lautete der Claim von Douglas. Untersuchungen zeigten, dass viele Leute den Claim nicht richtig verstanden. Komm rein und finde wieder hinaus? Was soll das denn bedeuten?
Man sollte sich gut überlegen, ob die Zielgruppe wirklich versteht, was man ausdrücken möchte. Bei internationalen Marken kommt noch die Anforderung hinzu, dass der Claim in allen Kulturkreisen verständlich sein muss. Klarheit hilft. “Just do it” und “Nichts ist unmöglich” sind klare Ansagen.
Merkfähig
Ein Claim muss im Kopf bleiben. Wenn er etwas Merkwürdiges hat, wird er dadurch oft erst merkfähig. Ein irritierendes, störendes Element ist gut – solange es einfach ist. Etwas, das zunächst seltsam erscheint, gewinnt mit der Zeit an Kraft. Claims sind nicht für den Augenblick gedacht, sondern für Jahre. Das sollte man ihm Hinterkopf haben, wenn man Claimlisten durchgeht. Was spontan gefällig wirkt, verliert mit der Zeit häufig an Reiz.
Claims, die sich reimen oder die man sogar singt, kann man sich leichter merken. Bekannt ist zum Beispiel der gesungene Haribo-Spruch “Haribo macht Kinder froh. Und Erwachsene ebenso”.
Noch ein Beispiel. Am Stuttgarter Flughafen sah ich einen Claim, mit dem der ObeyYourBody-Shop wirbt: “Treat your Skin from within”. Der Spruch hat eine klare Aussage und reimt sich, so dass man ihn sich besser merken kann. Ein gelungenes Beispiel dafür, dass Reime auch souverän sein können.
Klangvoll
Ein Claim muss leicht von der Zunge gehen.
Passend zu Marke und Zielgruppe
“Deutsche Bank – Leistung ist geil” wäre von der Tonalität her schwierig. “Leistung aus Leidenschaft” klingt passender.
Optional: eindeutig zuzuordnen
Verbraucher haben oft Schwierigkeiten, einen Claim der richtigen Marke zuzuordnen. Deshalb ist es sinnvoll, die Marke im Claim zu verankern. Hier einige Beispiele dafür.
Test the West.
BILD Dir Deine Meinung.
Spiegel-Leser wissen mehr.
It’s not a trick, it’s a Sony.
Maybe it’s Maybelline.
Bitte ein Bit.
Sind wir nicht alle ein bisschen Bluna?
Alles Müller, oder was?
Wenn’s um Geld geht: Sparkasse.
Ich reservieHRS.

Ein rational richtiger Markenclaim ist meistens falsch.
Wir Deutschen neigen dazu, Werbung wie Mathematik zu betrachten. Tatsächlich lebt gute Werbung genau vom Gegenteil: vom Irrationalen, vom Irritierenden, vom Überraschenden. Ein rational richtiger Claim ist meistens falsch. Ein Claim muss erst im Bauch stimmen – und dann im Kopf.
Hier drei Beispiele für Sprüche, die in Deutschland für Aufmerksamkeit gesorgt haben:
- Media Markt. Ich bin doch nicht blöd.
Hier hat For Sale geschickt einen Spruch aufgegriffen, der schon im allgemeinen Sprachgebrauch war.
- Baden-Württemberg. Wir können alles. Außer Hochdeutsch.
In diesem Fall hat Scholz & Friends etwas geschaffen, das noch kein Allgemeingut war. Die Wahrheit dahinter ist so brillant beobachtet und so humorvoll, dass die Menschen den Spruch einfach lieben.
- Saturn. Geiz ist geil.
Jung von Matt hat mit diesem Spruch den Zeitgeist getroffen und in Worte gefasst.
Die Seele des Markenclaims: das Versprechen
Werbung ist die Kunst, Dinge so darzustellen, dass sie begehrlich und etwas Besonderes werden. Es geht darum, einen emotionalen Mehrwert zu vermitteln. Edeka verkauft nicht einfach nur Lebensmittel, Edeka liebt Lebensmittel. Milka ist nicht einfach nur Schokolade, sondern die zarteste Versuchung seit es Schokolade gibt. Die Deutsche Bank bietet nicht einfach nur Finanzdienstleistungen an, sie zeigt Leistung aus Leidenschaft. Und der Spiegel versprach früher: Spiegel-Leser wissen mehr.
Das Versprechen kann auch eine Haltung sein. Ein Spruch, der eine Philosophie ausdrückt. Oft wirken solche Claims moderner und faszinierender als rationale Leistungsversprechen. “Nichts ist unmöglich” ist so eine Haltung, die übrigens auch gut nach innen ins Unternehmen hinein wirkt.

Wie entsteht ein Markenclaim?
Die Kernaufgabe bei der Entwicklung eines Markenclaims ist die Positionierung. Erst, wenn die Positionierung der Marke abgeschlossen ist, kann es an die Formulierung des Claims gehen. Im Idealfall ist die Positionierung bereits in einen einzigen Satz verdichtet. Jetzt setzt sich der Werbetexter daran, auf dieser Basis Vorschläge zu entwickeln.
In der Theorie hat der Texter eine einzige klare Richtung. In der Praxis ist das leider nur sehr selten der Fall. Meistens gibt es zwar eine Richtung, aber auch zahlreiche Facetten. In diesem Fall teilt der Texter seine Vorschläge in Cluster ein. Einen Markenclaim zu entwickeln ist Teamarbeit. Der Texter textet, die Entscheider im Unternehmen wählen ihre Favoriten aus. Im besten Fall verschwinden in jeder Runde Cluster, so dass sich mit jeder Runde immer besser herauskristallisiert, in welche Richtung es geht.
Ein Volltreffer gleich in der ersten Runde ist selten. Ich habe vielleicht rund 40 Claims geschrieben, die erschienen sind (und unzählige für den Papierkorb), aber gleich in der ersten Runde der Vorschläge war kaum einer dabei. Meistens braucht man drei oder vier Runden, um sich ganz sicher zu sein, den richtigen Claim geschrieben und ausgewählt zu haben. Den Claim zu schreiben und den Claim auszuwählen ist übrigens ungefähr gleich schwierig. Je wichtiger ein Markenclaim ist, desto mehr Zeit braucht man dafür. So hat etwa ein großer deutscher Autobauer rund ein halbes Jahr an seinem Markenclaim getüftelt. Das ist meiner Meinung nach zu lange. Mehr als zwei Monate sollte das Projekt nicht in Anspruch nehmen.
Doch selbst, wenn ein schöner Markenclaim gefunden ist, den jeder gut findet und der alle Kriterien erfüllt, gibt es noch immer eine Hürde. Nun muss ein Markenanwalt klären, ob es diesen Claim schon gibt und ob das Unternehmen ihn schützen kann. Bei dieser Frage kann der Werbetexter nicht helfen. Vorab ist es sinnvoll, die Favoriten zu googeln und in Datenbanken wie slogans.de zu recherchieren. Wirkliche Sicherheit kann aber erst der Markenanwalt geben.
Hier drei Checkpunkte, die man bereits ohne den Anwalt selbst klären kann, wenn man einen Claim beurteilt:
- Checkpunkt 1: Ist die Aussage des Claims wettbewerbsrechtlich zulässig? Aussagen müssen glaubhaft und nachweisbar sein. Reine Behauptungen sind unzulässig. “Der beste Autobauer der Welt” ist zum Beispiel unzulässig.
- Checkpunkt 2: Besitzt der Claim Unterscheidungskraft? Laut Markengesetz können Marken keinen Eintrag vornehmen, deren Waren oder Dienstleistungen keine Unterscheidungskraft haben. Das heißt, die Claimaussage ist eher beschreibend und bleibt allgemein. “Das erfrischt jeden” wäre für einen Getränkehersteller zu allgemein.
- Checkpunkt 3: Besteht eine Verwechselungsgefahr? Könnte die Öffentlichkeit das Produkt mit einem anderen verwechseln?

Abschließend einige besonders gelungene Claims zur Inspiration
Henkel. A Brand like a Friend.
Apple. Think different.
Nike. Just do it.
IBM. Solutions for a small planet.
The Independent. It is. Are you?
Coca-Cola. Mach dir Freude auf.
Snickers. Und der Hunger ist gegessen.
Julius Bär. True to you.
Claims, die ich entwickelt habe, finden Sie übrigens hier: Claims.